Mittwoch, 2. Mai 2007

Homophobie der heilen Welt

Heute Nachmittag kam meine Mutter zu mir. Sie fragte mich ganz gespannt: "Sag mal: kennst du noch Simon? Simon Schmidt*?" Ich war etwas überrascht: "Öhm... sagt mir grad nix." - "Na damals in der Hubertusstraße*. Unsere Nachbarn. Die so fußballverrückt waren!", klärte meine Mutter mich auf. "Ahja. Was ist mit dem?" - "Du, Sabine hat mir erzählt, der soll wohl schwul sein!"
Aha, er ist also schwul. Homosexuell. Liebt halt Männer. Und wo ist das Problem?
"Ihr Sohn meint, das sei wohl grad das Top-Thema an seiner Schule. Weil der Simon geht ja auch auf die Schule."
Ich kenne die besagte Schule. Auch wenn ich kein Schüler dieser Einrichtung war, weiß ich, dass man es garantiert nicht leicht hat, wenn man als homosexueller Junge bekannt ist. Meine Verwunderung hält sich stark in Grenzen, sofern sie überhaupt vorhanden ist, aber der Kerl tut mir ja schon ein bisschen Leid. Hat es bestimmt nicht leicht bei grausam homophoben Mitschülern.
"Seine Eltern sollen ihn wohl auch schon immer 'Simone' nennen."
Man man man. Soweit ich mich erinnern kann, war sein Vater immer ein fußballgeiler Klischee-Sexist wie aus dem Bilderbuch.
So finde ich die Frage, ob er nun homosexuell ist oder nicht recht uninteressant, aber viel mehr interessiert mich, was daran denn nun so wichtig ist, dass man das erstmal breit der ganzen Stadt rumerzählen muss: 'Oh mein Gott! Ein Schwuler in Neustadt!"

"I love hardcore boys. I love boys hardcore." (Limp Wrist - I love hardcore boys)

Wie in ihrem gesamten Denken, sind die meisten Bürger dieser provinziellen Einöde wohl auch in ihrer Sexualtoleranz ganz schön eingerostet und stecken anscheinend irgendwo vor einigen Jahrzehnten (oder Jahrhunderten?) fest. Wer - vor allem, aber nicht nur als Mann - homo- oder auch nur bisexuell ist, ist unten durch. So wird es einem meist unterbewusst seit früher Kindheit antrainiert. Schwule dürfen nur in Gedanken existieren, damit man sich über sie lustig machen und die veralteten Homo-Klischees nachäffen kann, um einen (eher schlechten) Witz zu machen. So lange sie nur im Kopf existieren, ist es auch kein Problem zu sagen, dass man kein Problem mit homosexuellen Menschen hat.

"Ich habe kein Problem mit Schwulen... solange sie mir nich zu nah kommen!"

Wird das Ganze allerdings greifbarer, sodass man realisiert, dass es sie tatsächlich auch im eigenen Umfeld gibt (oder geben könnte) ist das Gerede groß und man hält präventiv Abstand: 'Der könnte mich ja angrabschen!'

"Auf Lesbenpornos onanieren? Kannst ja mal 'nen Schwanz probieren!" (The Italian Stallion - The Unseen Homocaust)

Ein gesondertes Beispiel ist da die meist-verbreiteste Einstellung von Jungen/Männern gegenüber Lesben. Denn in diesem Falle ist lesbisch sein nicht nur in Ordnung, sondern meistens sogar ansprechend, attraktiv und sexuell erregend, während homosexuelle Männer als abstoßend empfunden werden. Paradox? Ja.

So komm ich zum Fazit dieses Abends:
Homophobe Spinner, intolerante Idioten und verkniffene Spießer: Piss off! Wer einem anderen Menschen ihr Recht auf die freie Wahl des Sexualpartners nimmt oder ihn aufgrund dessen diskriminiert, kann nicht ganz richtig ticken und sollte vielleicht einfach mal das Maul halten und nachdenken.

In diesem Sinne:
"Hetero, schwul, was auch immer. Nichts auf der Welt ist weniger interessant als die sexuelle Präferenz, die man hat." - Andy Bell

*Alle Bezeichnungen wurden geändert. Personen-, Straßen- und andere Namen entsprechen nicht der Realität.

Über Sonnenbrillen und S-Bahnen

Anekdoten und Geschichten über Erlebnisse an Bahnhöfen gibt es wie Nazis in Ostdeutschland.
Und die Folgende wird in dieser Reihe wahrscheinlich keine Ausnahme machen.
Doch die aktuelle Wetterlage veranlasste mich, euch als Leser dieses Blogs auf einen unangenehmen Zustand dieser Gesellschaft aufmerksam zumachen.

Als täglicher Kunde der Deutschen Bahn AG verbringe ich werktags im Durchschnitt eine halbe Stunde an den teuflischen Gleisen des Hauptbahnhofs Hannover.
Gehen wir also zu erst einmal auf die äußerlichen Einflüsse der momentanen Wetterlage ein.
Es ist Frühling und die Hormone sprießen hoch. Man trägt Sonnenbrillen, je nach Volumen des Schädels kleiner oder größer, und positioniert sich in einer lässigen Haltung am Bahnsteig.
Vorerst sei vielleicht noch gesagt, dass ich alle folgenden Dinge als männliche Person feststellen konnte. Wenn eine Person weiblichen Geschlechts mir eine andere Sichtweise darlegen möchte, so kann dies gerne per Mail getan werden.
Aber nun gut, wir waren beim Frühling, den Sonnenbrillen und den Bahnsteigen.
Als Single habe ich persönlich immer den Zwang, andere Frauen an zugucken.
Versteht mich nicht falsch. Nicht im Sinne von Spannen oder penetranten Blicken horizontal des Brustkorbs. Nein. Eine gute und handelsübliche Sonnenbrille gibt einem jederzeit die Möglichkeit, einen Rundum Blick zu starten und zu schauen, wer sich neben mir alles einfindet, um auf die Bahn zu warten.
Einen großen Vorteil genießen hierbei die Raucher unter uns. Die Frage nach Feuer, oder bei einem netten Blick das schnorren einer Kippe, sind perfekte Ausgangssituationen für einen klassischen und guten Flirt.
Gehen wir als vom besten Falle aus und stellen uns vor, wie wir mit einer Zigarette und einem Kaffee, die Augen per Sonnenbrille verdeckt, auf dem Gleis stehen.
Die Gedanken schweifen im gleichmäßigen Takt der Augen, und ehe man sich versieht, dringt eine beruhigende und zarte Stimme heran.
„Hättest du vielleicht Feuer für mich“
Der Kopf dreht sich, man schaut zur Seite. JACKPOT!
Somit wäre Phase 1 eines Flirtes getan, und die Rennstrecke freigegeben.
Ab hier heißt es, zurückhaltend bleiben, und auf keinen Falle die Brille abnehmen.
Nach einem locker leichten „aber klar doch“ wird in eleganter Handkombination (nicht den Kaffee verschütten) das Feuerzeug aus der Tasche geholt.
Wichtig hierbei: Niemals das Feuerzeug anmachen. Zuvorkommende und emanzipierte Menschen geben dem Flirtpartner das Feuerzeug in völliger Sicherheit, es heile und sicher zurückzuerhalten.
Zudem sei bereits im Vorfeld stets darauf zu achten, beim Kiosk oder der Tankstelle immer das billigste der billigsten Feuerzeuge zu kaufen. Sternzeichen oder Firmennamen irritieren nur und zeugen nicht von Stil.
Haben wir nun also das Ritual der Feuerzeug Übergabe gemeistert, liegt es am Geber, den nächsten Schritt zu tun. Dies spielt sich in der Reihenfolge eines Überfalls oder einer Schlägerei ab. Die gegenüberstehen Person darf auf keinen Fall abweichen und entkommen.
Hier haben die Spontanen und Lustigen unter uns auf jeden Fall die bessere Karte gezogen.
Eine lustig verzogene Mimik und ein halbwegs lockerer Spruch sichern uns die nächsten 5 Minuten. Eine Konversation über das Wetter oder die langen Wartezeiten ist hier so angebracht wie Cheeseburger auf einem Veganer-Treffen.
Hier zählt einzig und allein Kreativität und Stil. Da wir immer noch den Vorteil der Sonnenbrille genießen, genügt jede Minute ein Blick auf die Uhr. Denn Ja, auch ein Flirt sollte einen gewissen zeitlichen Rahmen einhalten.
Spätestens eine Minute vor dem Eintreffen der Bahn geht es in die erste Stufe der heißen Phase: Die gemeinsamen Sitzplätze in der Bahn.

So viel zu den allgemeinen Verhaltenstipps in solch einer Situation.
Doch im Falle des heutigen Erlebnis kommt nun der Punkt, welcher eigentlicher wesentlicher Faktor dieses Textes ist und sich für mich persönlich als seelischer Totschläger entpuppte.
Was tun, wenn die Person einen Rolly, einen Koffer oder eine große Sporttasche mit sich trägt.
Lohnt sich der Flirt? Wohnt sie womöglich weit weit entfernt?
Nachdem ich mich auf dem Boden der Tatsachen wiederfand, entdeckte ich, dass es sich beim gemeinsamen Zug um einen Regionnalexpress handelte. Endhalt „Norddeich Mole“.
Während man sich als in gegenwärtiger Lage noch zu 75% im Flirt befindet, kommt in sekundenschnelle der nukleare Gedankentiefschlag.
Vielleicht wohnt sie dort. Vielleicht auch in Bremen. Lohnt sich all dies?
Ab dieser Stelle sollte ein jeder erkennen, welche Stärke und Sicherheit er sich selber zeigen kann. Ich kam mir vor wie auf einer Autobahn mit der Entscheidung, schnellstmöglich die nächste Ausfahrt zu nehmen, oder vielleicht den weiteren Verlauf der Strecke zu erkunden.
Und um noch einmal einen Nachruf an alle Hormonbrunnen zu senden:
In der Bahn wird die Sonnenbrille grundsätzlich abgenommen.
Und wenn euch die Sonne 50% eurer Sehkraft raubt, an dieser Stelle ist es Zeit, die Augen zu offenbaren und auf die Reaktionen des Flirtpartners zu warten.
Da ich aufgrund meiner Charakterschwäche bereits an dieser Stelle beim Flirt ausgestiegen war, konnte ich persönlich nur einen anderen Entschluss fassen.

In Zukunft werde ich zur Weiterfahrt nur noch S-Bahnen benutzen. Hier findet sich weitaus weniger Gepäck bei den Menschen. Zudem weiß ich , woran ich bin und kann mir sicher sein, dass mein Gegenüber nicht 200 Kilometer entfernt wohnt.

Ich denke, dass sie nun sauer auf mich ist.
Aber Baby, falls du das hier liest. Sei mir nicht böse. Auch von Norddeich Mole verkehren S-Bahnen. Und wenn ein lieber Kerl aus deiner Stadt vielleicht eines Tages dies hier liest und meine Tipps ernst nimmt, wirst du einen bessern Flirt als den unseren haben.
Lass deine Haare wie sie sind, deine Augen sind bezaubernd und steig auf ruhig auf rote Gauloises um.


Fazit:
Regionalexpresse sind die ultimativen Flirtkiller
Der Kaffee bei Lé Crobag schmeckt am besten und ist teuer.

Ich wünsche euch noch einen erholsamen und sonnigen Dienstag
Euer S-Bahn Fahrer



Kleinstadthelden - Schritt ins Leben

Sonntag, 29. April 2007

1. Mai: HC-Matinée / Wohnwelt Wunstorf

1-mai-hc-matinee

Eintritt: ca. 3€

Alltag raus, Menschlichkeit rein.

"Nicht noch ein Blog."

Ja, so ein Gedanke ist durchaus berechtigt beim Betrachten dieses Weblogs. Das Internet quillt momentan gradezu über vor Massen von Blogs, die zum größten Teil unnütze Inhalte pubertierender Teenager enthalten und schlichtweg von niemandem gelesen werden wollen. Warum also noch eins?
Eine zunächst berechtigte Frage. Doch mindestens genau so berechtigt ist die Gegenfrage: Warum eigentlich nicht?
Diese Seite soll in gewisserweise eine Stimme verkörpern, die unbequeme Dinge anreißt und von anderen Blickwinkeln betrachtet als einem in den gesellschaftstreuen Medien Deutschlands immer alles vorgewürgt wird. Konkret ausgedrückt: Weg von alltäglicher Betäubung und Manipulation kapitalistischer Massenmedien und hin zu einer quantitativen Bereicherung alternativer Informationsquellen und Meinungsplattformen.

"Provinzgeflüster?"

"Was hat das Ganze nun mit dem Begriff "Provinz" zu tun?" Zunächst besteht kein großer Zusammenhang zwischen Provinz und politischem Geschehen. Eher im Gegenteil: Die wichtigsten politischen Ereignisse gehen doch eigentlich ausserprovinziell vor sich. Doch genau so ist maßgeblich ausserhalb provinzieller Kleinstädte eine links-alternative Kultur oder gar ein vergleichbares politisches Bewusstsein überhaupt vorhanden. Und genau das ist ein Zustand der nicht so einfach hinzunehmen ist. Denn wer heutzutage als halbwegs klardenkender Mensch in ländlich-vereinsamten Gegenden aufwächst, der geht schnell unter in einem Einheitsbrei aus Dorf-Proll-Pseudofaschisten (und ihren "Böhse Onkelz"-hörenden Freunden, die meist irgendwann genau so enden), christlich-konservativen Spinnern und Kleinbürgerlichen Idioten, die nichts kennen ausser ihrer kleinen, heilen Welt. Der einzige Gedanke, der einem da noch in den Sinn kommt ist: "So schnell weg, wie nur möglich!".
Diese Blog ist ein Versuch das alltägliche Verblöden dieser provinziellen Welt in gewisserweise zu dokumentieren, auf- und anzugreifen. Und zwar direkt vor Ort: im Umland Hannovers.

provinzgeflüster

alltag raus, menschlichkeit rein.

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ESCAPADO
plueschi (Gast) - 6. Sep, 19:44
Was ist los?
Ist Provinzgeflüster tot? Schon so lange keine Beiträge...
Daniel (Gast) - 14. Aug, 19:55

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Zuletzt aktualisiert: 22. Okt, 18:25

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